22. November 2021 – Marlene Gallner
Positive Einverleibung der Shoah und Relativierung des Antisemitismus – Zum
aktuellen Stand deutscher Vergangenheitsbewältigung
19:30: Universität zu Köln, Hörsaal A1, Universitätsstraße 35, 50931 Köln
Facebookevent: https://www.facebook.com/events/397517605160343/
Die Deutschen haben 1945 zwar den Krieg verloren, dennoch gingen sie in mehrfacher
Hinsicht siegreich hervor. Sie waren beinahe zur Gänze erfolgreich in ihrem Projekt der
Judenvernichtung. Der Großteil der europäischen Juden wurde nicht gerettet. Und die durch
Zufall überlebenden Opfer konnten das Leid nicht einfach abschütteln und, anders als die
Täter und deren Nachkommen, nicht guter Dinge weiterleben. Auch hat sich im Nachhinein
gezeigt, dass der Nationalsozialismus und der Angriffskrieg ein erfolgreiches Mittel zur
Bewältigung der ökonomischen Krise darstellten. Zum einen wäre ohne den Krieg das
Wirtschaftswunder der 1950er nicht möglich gewesen, zum anderen profitieren deutsche
Unternehmen bis heute von Enteignung, Zwangsarbeit und menschenunwürdigen
Experimenten zur Zeit des Nationalsozialismus. Und schließlich sind die Deutschen heute
Sieger auf dem Gebiet der Erinnerungskultur. Kein Land der Welt kann sich mit solch
beeindruckenden Shoah-Mahnmalen schmücken wie Deutschland. Moralisch wähnen sie
sich anderen Nationen überlegen. Das bekommt nicht zuletzt der Staat der Juden, Israel,
immer wieder zu spüren. Jean Amérys Aufforderung, die neue Generation junger Deutscher
solle mit ihren Vätern brechen, wurde nie verwirklicht. Stattdessen konnten sich die
Deutschen noch die Vernichtung um der Vernichtung willen positiv einverleiben.
Marlene Gallner lebt in Wien. Sie ist Redaktionsmitglied der Zeitschrift sans phrase und
Herausgeberin der ersten englischsprachigen Übersetzung von Jean Amérys Essays zu
Antisemitismus, Antizionismus und der Linken, die im Dezember in den USA erscheinen.
Eine Veranstaltung im Rahmen der Aktionswochen gegen Antisemitismus Köln. Veranstaltet vom Bündnis gegen Antisemitismus Köln, dem AStA der Universität zu Köln und der Deutsch-Israelischen Gesellschaft AG Köln. Unterstützt von der Amadeu Antonio Stiftung.